Die schönste Stunde in der Wüste war die um den Sonnenaufgang. Die Morgendämmerung kam zart, auf leisen Kamelsohlen, mit sanften, pastelligen Farbtönungen des Sandes und am Himmel. Die aufsteigende Sonne wurde durch Morgendunst gemildert, hob Dünengrate und erste Riffelungen im Sand in einem lachsfarbenen Rosa hervor, während die Schatten noch lichtblau und nicht hart und schwarz in den Mulden lagen. Die Luft war kühl, lag nur wenige Grade über dem Frostpunkt; selbst als die Sonne rasch höher stieg, strich noch ein angenehm kühlender, frischer Wind die Dünenkämme herauf.
„The dawn, the space, the caravan – this, this was the immemorial beauty of Persia“
(Vita Sackville-West: Twelve days in Persia, 1928).
Unsere Gruppe bestand nur aus einer Handvoll Menschen, doch noch diese Ansammlung war uns zu viel. Wir schwärmten aus, verteilten uns, brauchten dazu ja nicht mehr als acht Unterteilungen der Windrose. Jeder wollte die frühe Stunde für sich allein in stiller Zwiesprache mit dieser unendlich weiten, klaren, reinen Landschaft der Wüste erleben.
Sandor stapfte einen langgezogenen Dünenrücken hinauf, Seine Frau ließ sich gleich auf der nächsten Düne zu stummer Betrachtung nieder. Nicht einmal Lana suchte Gesprächspartner. Czaba erklomm in der Gegenrichtung mit seinem schweren Fotorucksack einen steileren Hang, die Herzogin schnürte längst hangauf, hangab von Düne zu Düne davon wie eine Duracell-Wüstenfüchsin auf der Suche nach, ja, wonach eigentlich? Tamás tauchte irgendwann auf dem Kamm einer ziemlich weit entfernten Düne auf und suchte mit dem Fernglas den Horizont ab, András, unser australischer Entomologe, verlor sich in seiner typischen vorgebeugten Haltung zwischen den Dünentälern, um zwischen kargen Büschen nach Käfern zu suchen.
Erst spät, als die Sonne den Sand schon kräftig aufheizte, fanden wir wieder zusammen, sprachen aber noch lange nur wenig miteinander. Jeder war noch erfüllt von seiner persönlichen Begegnung mit einer frischen, gerade erst erstandenen Welt, die nicht mehr brauchte als Sand, Sonne, Tau, Wind und weiten Himmel, um vollendet zu sein.