Die „abtrünnigen” Moslems im Oman
„Mein Gott, wo ist Schatten? So ein Land bringt nichts als Propheten hervor.”
(Tajjib Salich: Zeit der Nordwanderung)
Zur Zeit der Imame war nicht Maskat die Hauptstadt des Oman, sondern das hinter dem Küstengebirge am Rand der großen Arabischen Wüste gelegene Nizwa.
„Omanis sind wie Esel”, erklärte mir ein Bedu in seinem Zeltlager am Nordrand der Rimāl al-Wahība, dem ausgedehnten Dünengebiet, das in das berüchtigte „Leere Viertel” Rub al-Chali übergeht, die größte Sandwüste der Erde. „Wenn du sie nett und höflich um etwas bittest, tun sie alles für dich. Behandelst du sie aber grob, werden sie störrisch.”
Die omanischen Stämme gehörten zu den ersten, die bereits um 630 islamisiert wurden, Omanis legen jedoch großen Wert darauf, daß ihr Land nicht dem Islam unterworfen wurde. In ihrer Version haben sie ihn auf höfliches Ersuchen des Propheten freiwillig angenommen.
Vorher hatten sie allerdings wie auch andere Küstengebiete der arabischen Halbinsel lange die Oberhoheit der persischen Sassaniden anerkennen müssen. Im Jahr 630 dann soll der Prophet Amr ibn Aas, den späteren Eroberer Ägyptens, mit einem persönlichen Schreiben an die lokalen Machthaber im Oman, zwei Brüder namens Abd und Jaifar, geschickt haben, die sich daraufhin zu dem neuen Glauben bekehrten.
Inschallah! Ich mache die arabisch wegwerfende Geste, bei der man die eingedrehte Hand mit einer raschen Drehung nach außen schnellt. Wenn’s denn hilft, die bittere Pille, die man schlucken mußte, zu versüßen.
Schon der zweite Nachfolger (Kalif) des Propheten wurde ermordet. Aufgrund unausgesetzter interner Machtrangeleien der führenden Familien 656 auch der dritte. In den Nachfolgekriegen spaltete sich eine Fraktion ab, die sich entschieden gegen jegliche Bevorzugung von Verwandten des Propheten und für die völlig freie Wahl des Kalifen aussprach. In den anschließenden Bürgerkriegen wurden diese Charidschiten (von Arabisch charadscha, „hinausgehen“ abgeleitet), die Spalter und Abtrünnigen also, von Sunniten wie Schiiten bekämpft und überlebten nur in Randgebieten der islamischen Welt. Einer ihrer Anhänger, Abdallah ibn Ibad, gründete um 680 im persischen Basra seine eigene, relativ gemäßigte Sekte, deren Anhänger, die Ibaditen, besonders im Oman Zuflucht fanden und dort bis heute die mehrheitliche religiöse Konfession bilden.
Natürlich glauben auch sie, die einzig wahren Gläubigen zu sein, verhalten sich aber vergleichsweise tolerant gegenüber Andersgläubigen. Sie enthalten ihnen zwar wilaya vor, die verpflichtende arabische Gastfreundschaft, und halten sie so im Stand von Außenstehenden (bara’a), mit denen man keine ernsten Bindungen wie z.B. Heiraten eingeht. Offene Feindseligkeit ist den Ibadis aber nur in einem sehr interessanten Fall erlaubt: gegen den ungerechten Herrscher, der sich weigert, freiwillig abzutreten.
Außerdem sind sie der Überzeugung, daß das Freitagsgebet allein in größeren Städten abgehalten werden soll, in denen Gerechtigkeit herrscht. In der Praxis wirkte sich das so aus, daß die Ibaditen jahrhundertelang keine großen Gemeinschaftsgottesdienste abhielten, weil es keinen gerechten Imam gab. Darum führten sie die freie Wahl des richtigen Imam durch die Ältesten, ungeachtet seiner Abstammung, ein, und so bekam der Oman seinen eigenen Imam. Ihr letzter wahrer Imam, Ahmad ibn Sa‘id, regierte von 1754-1783 und residierte in Nizwa. Danach trugen die Regenten seiner Dynastie bis heute nur noch den weltlichen Titel Sultan.