Es gibt wohl keine Kultur auf der Welt, in der Tore in irgendeiner besonderen Funktion oder Bedeutung keine Rolle spielten.
Selbst die weit umherziehenden Nomaden in der Mongolei laden ihren Kamelen beim Umzug in ein neues Lager die kompletten Eingänge ihrer Jurten auf. Als nahezu sakral aufgeladene Elemente ihrer ansonsten eher kargen materiellen Ausstattung schleppen sie die sperrigen Rahmen stets mit. Deren Schwelle zu berühren, gilt als mindestens Unglück bringende Unhöflichkeit, wenn nicht als Tabubruch. Wie europäische Gesandte berichteten, wurde zu Dschinghis Khans Zeiten jeder, der unachtsam gegen eine Zeltschwelle stieß, auf der Stelle getötet.
Tore als Öffnungen, die Einlaß ins Innere einer Gemeinschaft gewähren, galten oftmals als besonders schutzbedürftig und wurden deshalb mit Tabus belegt. Tore grenzen ab und grenzen aus, nicht nur das Innere vom Außen, auch Geheiligtes von Profanem.
Genau diese Funktion haben sie auch in Japan. Torii (vielleicht verkürzt aus tōri, durchgehen + iru, eintreten) markieren besonders in Shinto-Schreinen den Übergang zum für heilig erachteten inneren Bezirk, in dem göttliche Wesen (kami) anwesend sein könnten. Bei einer Reise durch Japan kann man buchstäblich Tausenden von ihnen begegnen, sodaß Torii geradezu ein Emblem oder Markenzeichen für Japan geworden sind.
Ihr meist roter Anstrich kommt daher, daß Rot in Japan die Farbe der Sonne ist, wie auf der japanischen Flagge, und an die Sonnengöttin Amaterasu erinnert, auf die gläubige Japaner letztlich ihre Abstammung zurückführen. Durch diese positive Symbolik wurde Rot auch zur Farbe mit der man böse Geister abwehren und fernhalten kann. Die japanischen Schriftzeichen für Torii können auch als „Vogelsitz” gelesen und übersetzt werden. So erinnern sie an die Legende, laut der die übrigen Gottheiten, um die beleidigte Amaterasu aus der Höhle zu locken, in der sie sich verbarrikadiert hatte, vor dem Höhleneingang unzählige Vögel auf Stangen setzten, damit sie mit ihrem „langen Gesang in der Dunkelheit” die Göttin aus der Höhle lockten.
Ein besonderes Otorii (großes Tor) verabschiedete uns am Bahnhof, als wir Kanazawa verließen, und ein anderes begrüßte uns, als wir einige Tage später die alte Kaiserstadt Kyoto betraten.
Sehr interessante Tor-Informationen; vor allem in dieser Zusammenstellung zu Myriades etwas mystisch anmutenden Tor-Bild passend.
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